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linksradikale - Politik und D.I.Y-Kultur
in Hamburg und Umgebung

Podium: »Whatever it takes«. Zur autoritären Formierung der Gesellschaft

Zeit & Ort

19.05.25
18:30 – 20:30
Uni Hamburg, Geomatikum, Hörsaal 2
Bundesstr. 55
Hamburg

Infos

Podium mit Bafta Sarbo, Thomas Sablowski, Hans Rackwitz und Christoph Marischka

Die Bundesrepublik, darüber herrscht breite Einigkeit, ist auf dem Weg nach rechts: Davon zeugen nicht nur Wahl- und Mobilisierungserfolge radikaler Rechter, sondern auch Verschärfungen der Migrations- und Asylpolitik, der Ausbau politischer Repression und innerer Sicherheit, zunehmender Rassismus, ein Wiedererstarken konservativer Geschlechterverhältnisse und Sozialchauvinismus. Die ökologische Krise wird verleugnet – oder ihre Bearbeitung für Standortinteressen vereinnahmt. Erst im März haben Bundestag und Bundesrat durch eine Grundgesetzänderung eine Verschuldung für Rüstungsausgaben in unbegrenzter Höhe ermöglicht, um die Gesellschaft kriegstauglich zu machen. Die EU steuert weitere 800 Mrd. Euro für ein Rüstungsprogramm bei. Die teils offen faschistische AfD konkurriert derweil mit der CDU um den ersten Platz in Wahlumfragen, sie heizt den Rechtstrend weiter an und verkauft sich zugleich als Opposition.

Die Rechtsentwicklung kommt aber nicht von der Rechtsentwicklung, und auch nicht von der AfD allein: Sie mag die Themen setzen, es waren und sind aber die Parteien der »Mitte«, die etwa das Asylrecht beschneiden und Abschiebungen »im großen Stil« fordern, Kriegspolitik und die Militarisierung der Gesellschaft vorantreiben oder das Bürgergeld kürzen und der radikalen Rechten damit weiter den Weg ebnen. Die Gesellschaft wird in Deutschland nicht nur von der AfD nach rechts geschoben. Sie ist lediglich die aggressivste unter den bürgerlichen Kräften.

Vor welchem Hintergrund findet diese Entwicklung statt? Der bundesdeutsche Kapitalismus gerät zunehmend in rauhe Gewässer. Angesichts schwindender US-Hegemonie ist die Weltwirtschaft mehr und mehr von offener Konkurrenz geprägt – militärisch und wirtschaftlich. In zentralen ökonomischen Bereichen kriselt es: etwa der Metall- und Elektroindustrie oder der Automobilindustrie, dem Herzstück des deutschen Kapitalismus. Die soziale Ungleichheit wächst und mit ihr der Unmut in der Bevölkerung. Die herrschende Klasse und ihre Funktionseliten stellt das vor Herausforderungen: Wollen sie der Krise auf dem Boden der bürgerlichen Demokratie Herr werden, müssen sie auf die veränderten Bedingungen reagieren, verschiedene Kräfte und Interessen in ein gemeinsames Projekt integrieren und die Kapitalakkumulation stabilisieren. Sie müssen bewerkstelligen, was in der marxistischen Faschismusforschung als »Formierung« der Gesellschaft bezeichnet wurde: die Organisation von Zustimmung zu kapitalistischen Verhältnissen. Nicht zuletzt dafür wird die Rechte gebraucht. Scheitert die neoliberal-autoritäre Formierung, wäre der offene Übergang zu einem modernen Faschismus die alternative Option.

Es ist diese Situation, in der die neue Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD ihre Arbeit aufnimmt. Der Koalitionsvertrag mit dem Titel »Verantwortung für Deutschland« markiert nicht nur eine historische Rechtsverschiebung: »Links ist vorbei!« lautete die von Friedrich Merz ausgegebene Parole zur Bundestagswahl. Man kann das Papier auch als Ausdruck eines Projekts lesen, das darauf zielt, die Bundesrepublik wieder fit für das globale ökonomische und notfalls auch militärische Kräftemessen zu machen – und zwar »whatever it takes«, wie es Merz bei der Vorstellung des Aufrüstungsprogramms ausdrückte.

Mit was für einer Entwicklung haben wir es hier also zu tun – erleben wir eine »Faschisierung«, wie so viele befürchten? Und wie wäre all das zu beantworten? Anhand von Inputs zu vier zentralen gesellschaftlichen Konfliktfeldern – Ökonomie, Migration und Asyl, Militarisierung sowie Klimapolitik – wollen wir gemeinsam diskutieren.

Podium:

Bafta Sarbo ist Sozialwissenschaftlerin und Autorin.

Thomas Sablowski ist promovierter Politikwissenschaftler. Er war viele Jahre wissenschaftlicher Referent für politische Ökonomie der Globalisierung des Instituts für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Hans Rackwitz ist Soziologie und promoviert zu den Grundlagen einer sozial-ökologischen Klassentheorie. Er engagiert sich ökosozialistisch in der Klimabewegung.

Christoph Marischka ist Politikwissenschaftler und im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung (IMI).

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